Elektrisierend, belebend, gesund?

Elektroschocks für die Gesundheit?
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Die Abbildung zeigt ein Kästchen aus Pappelholz, ca. halb so groß wie ein Schuhkarton. Unter dem Deckel lassen sich verschiedene Apparate erkennen und an der Unterseite befindet sich eine Schublade, in der ein Kabel sowie eine Reihe rätselhafter Instrumente aufbewahrt werden. Es handelt sich hierbei um einen sogenannten Elektrisierapparat. Wenn die zugehörigen Instrumente an das Artefakt angeschlossen wurden, fungierten diese als Elektroden. Sie erlaubten es den Nutzern ihren Körper einer schwachen Stromzufuhr auszusetzten, welche sie mit der an der Oberseite befindlichen Apparatur überwachen und kontrollieren konnten.  In den 1910er und 1920er Jahren erfreuten sich diese Geräte in Teilen der bürgerlichen Mittelschicht großer Beliebtheit und wurden zur Linderung der verschiedensten Beschwerden, wie etwa Bleichsucht, Lähmungen, Verstopfungen, Impotenz, Plattfüßen und Schlaflosigkeit angepriesen. Dabei wurden einer Reihe unterschiedlicher Geräte und Verfahren entwickelt, wobei deren gesundheitlichen Auswirkungen heutzutage größtenteils als unbedeutend erachtet werden.

Zwischen Medizinskepsis, Gesundheitsbewusstsein und Technikbegeisterung…

Die großflächige Verwendung von Strom zu medizinischen Zwecken begann im 18. Jahrhundert. Zu dieser Zeit wurde das therapeutische Potential der Elektrizität vor allem von Naturphilosophen und Hobbywissenschaftler erkundet, während professionelle Ärzte der neuartigen Behandlungsform eher ablehnend gegenüberstanden. Im 19. Jahrhundert entstanden zwar einige Professuren zur Elektromedizin, jedoch spielten diese innerhalb der akademischen Medizin nur eine untergeordnete Rolle. Hingegen wurde die Verwendung kommerziell erhältlicher Elektrisierapparate in Deutschland vor allem von Kritikern der Schulmedizin beworben, die in den 1920er Jahren den Höhepunkt ihrer Popularität erreichten. Diese warfen der zeitgenössischen Medizin vor, dass Wohl der Patienten durch stark naturwissenschaftlich und technisch geprägten Methoden aus den Augen verloren zu haben. Die Aktivierung körperlicher Selbstheilungskräfte durch Elektrizität hingegen, wurde als eine humanere und holistischere Behandlungsform angesehen. Dies hatte auf Teile der bürgerlichen Mittelschicht, in der seit Ende des 19. Jahrhunderts ein wachsendes Hygiene- und Gesundheitsbewusstsein entstanden war, eine anziehende Wirkung. Die Elektrisierung des eigenen Körpers, welche ein angenehmes Kribbeln auslöste, konnte den Wunsch sich selbst etwas Gutes zu tun durchaus befriedigen. In denselben Kreisen entwickelte sich zu dieser Zeit ein starke Faszination für Haushaltstechnik, wobei elektronische Geräte als besonders fortschrittlich galten. Aufgrund der hohen Kosten eines Stromanschlusses war der Elektrisierapparat eine attraktives Produkt für alldiejenigen, die trotz dessen nicht auf die Vorzüge moderner Technik verzichten wollten.

Der Elektrisierapparat – ein durchaus modernes Gerät

Aus heutiger Sicht scheint die Verbreitung des Elektrisierapparates vor knappen 100 Jahren eine verblüffende Kuriosität zu sein.  Auf den ersten Blick mag man dabei schnell versucht sein, dies als Überbleibsel eines altertümlichen Aberglaubens anzusehen.  Der Erfolg dieser Geräte lässt sich jedoch in vielerlei Hinsicht als ein modernes Phänomen charakterisieren. Elektrisierapparate wurden als Alternative zur technisch und naturwissenschaftlich geprägten Behandlungsformen vermarktet und stellten somit eine Reaktion auf die Strukturen der modernen Medizin dar.  Verwendet wurde diese dabei nicht nur zu bloßen Verbesserung der eigenen Gesundheit, sondern zur Steigerung der eigenen Gesundheit auf eine angenehme und aufregende Weise mit hochwertigen und fortschrittlichen Mitteln. Das Bedürfnis nach solchen Erfahrung ist keineswegs unzeitgemäß, sondern typisch für eine Gesellschaft, die zunehmenden durch die Verbreitung technischer Konsumgüter geprägt wurde. Noch heute geben Menschen in der Hoffnung auf gesundheitliche Vorteile Geld für vermeintlich wirkungslose Produkte aus. Möglicherweise kann uns Geschichte des Elektrisierapparates helfen, diesen Teil unserer Gegenwart besser zu verstehen.