Das Fach Geschichte war, als es 1825 sogleich mit Gründung der damaligen Polytechnischen Schule begründet wurde, zunächst wenig mehr als Teil des Unterrichtskanons für die Oberklassen der lokalen Realschule, die man der neuen Einrichtung inkorporiert hatte. Allmählich etablierten sich Geschichte wie auch Literatur als "allgemeinbildende Ergänzungsfächer" im Ausbildungskanon künftiger Ingenieure, wobei das Fehlen geschichtswissenschaftlicher Inhalte mehr und mehr als Manko empfunden wurde.
Die Einrichtung eines eigenen Lehrstuhls für Geschichte und Literatur erfolgte 1860 und war nicht zuletzt vom badischen Großherzog Friedrich I. gefördert worden. 1861 wurde der liberale Historiker und Publizist Hermann Baumgarten berufen, der bis 1872 sehr erfolgreich amtierte und auch das Karlsruher Bildungsbürgertum in seine Vorlesungen lockte. Als Baumgartens Nachfolger lehrten 1872-1877 David Müller, 1878-1885 Adam Pfaff und schließlich 1885-1919 Arthur Boehtlingk. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Trennung der bisherigen Fächerkombination vollzogen; 1919 bis 1922 fungierte der Heidelberger Hermann Wätjen als erster Geschichtsordinarius. Ihm folgte der eigens habilitierte Gymnasiallehrer Franz Schnabel (1887-1966), Verfasser der "Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert".
Schnabel sah seine Aufgabe als Historiker nicht nur in der Vermittlung von Geschichtswissen an Techniker und Ingenieure, sondern umgekehrt auch in der Bewußtmachung des Einflusses von Technik und technischem Wandel auf Geschichte und Gesellschaft. 1936 entließ ihn der NS-Kultusminister: vordergründig, weil das Fach entbehrlich, tatsächlich, weil Schnabel politisch nicht genehm war. 1945 ernannte ihn die amerikanische Besatzungsmacht zum Ressortleiter der Abteilung Kultus und quasi "Kultusminister" in Nordbaden, in welcher Eigenschaft Schnabel für den Wiederaufbau der Schulen und Universitäten zuständig war. Bis zu seinem Weggang nach München 1947 hielt er zudem Vorlesungen an der Fridericiana.
1951-1962 lehrte Walther Peter Fuchs in Karlsruhe, sodann bis 1967 Thomas Nipperdey. 1969 konnte mit Walter Bußmann ein weiterer renommierter Historiker an die inzwischen zur Universität avancierte TH berufen werden. In die Amtszeit von Bußmanns Nachfolger Rudolf Lill (1983-2000) fielen zwei zukunftsträchtige Weiterungen am Department. Dies war zum einen die Einrichtung der Technikgeschichte unter Rolf-Jürgen Gleitsmann-Topp 1990, sodann 1992 die Gründung der 'Forschungsstelle Widerstand gegen den Nationalsozialismus im deutschen Südwesten', zunächst unter der Geschäftsführung von Michael Kißener, später unter Rolf-Ulrich Kunze.
Von 2001 bis 2007 lehrte Prof. Dr. Peter Steinbach am Department. 2001 bzw. 2006 kamen Rolf-Ulrich Kunze und Kurt Möser nach Karlsruhe, die seit 2011 als außerplanmäßige Professoren am Department arbeiten. 2016 wurde Marcus Popplow auf die Professur für Geschichte der technisch-wissenschaftlichen Zivilisation berufen, 2017 bis 2019 hatte Heike Weber die Professur für Technikkulturwissenschaft inne.
Mehr zu Franz Schnabel
Franz Schnabel – Ein biografischer Überblick
Autor: Martin Benjamin Ullmann
Das Franz-Schnabel-Haus am KIT-Campus Süd ist heute einer der zentralen Orte für viele Studierende und Lehrende der Geistes- und Sozialwissenschaften. Doch wer war eigentlich Franz Schnabel, nach dem dieser Ort benannt ist?
Franz Bernhard Gerhard Schnabel wurde am 18. Dezember 1887 in Mannheim geboren und wuchs dort in einer bürgerlich-katholischen Familie auf. Nach seinem Abitur folgte ein Studium der Geschichte und Philologie in Heidelberg und Berlin, das er 1910 mit einer Promotion abschloss. Anschließend war Schnabel, unterbrochen von seiner Einberufung in den Ersten Weltkrieg, mehrere Jahre in Mannheim und Karlsruhe im Schuldienst tätig und verfasste ein Schulbuch für den Geschichtsunterricht. Nach dem Ersten Weltkrieg führte ihn sein Weg an die Technische Hochschule Karlsruhe, die Vorgängerinstitution des heutigen KIT. 1922 habilitierte er sich dort und wurde noch im selben Jahr auf den Lehrstuhl für Geschichte berufen. Ein Geschichtsstudium war zu dieser Zeit an der Technischen Hochschule noch nicht möglich, daher vermittelte Schnabel historische Inhalte vor allem Studierenden der Technik- und Naturwissenschaften ebenso wie einem interessierten Stadtpublikum.
In seiner Lehre und Forschung beschäftigte sich Franz Schnabel allen voran mit der Entwicklung und den Leistungen des deutschen Bürgertums vom Mittelalter bis zur Gegenwart sowie allgemein mit der deutschen Geschichte des 19. Jahrhunderts. Weitere Beschäftigungsfelder Schnabels waren Kirchengeschichte und oberrheinische Lokalgeschichte. Durch seine Zeit an der Technischen Hochschule Karlsruhe inspiriert, widmete sich Schnabel zudem technikhistorischen Fragen, insbesondere der Entwicklung des technischen Bildungswesens. Heute zählt Franz Schnabel als ein Vorreiter der modernen Technikgeschichte. Als sein Hauptwerk gilt die Reihe „Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert“. Zwischen den Jahren 1929 und 1937 erschienen vier Bände, in denen er sich mit den geistesgeschichtlichen Entfaltungen, politischen Strömungen, technischen und wissenschaftlichen Neuerungen sowie religiösen Entwicklungen befasste. Das Gesamtwerk blieb jedoch unvollendet. Inhaltlich endete die Reihe noch vor der Revolution von 1848/49. Schnabels Werk mit seinen modernen Ansätzen wurde viel gelesen, aber auch von zeitgenössischen Historikerkollegen kritisiert.
Franz Schnabel nahm auch eine gewisse Außenseiterrolle in der damaligen Historikerzunft durch sein klareres Bekenntnis zur Weimarer Republik und demokratischen Werten ein. Die föderale und rechtsstaatliche Republik sah Schnabel als Ergebnis der liberalen Strömungen des 19. Jahrhunderts. Schnabel stand der katholisch-konservativen Zentrumspartei nahe. In der Zeit der Weimarer Republik plädierte Schnabel bereits für die Schaffung eines föderalen europäischen Staatenbunds, als dessen Grundlage er die deutsch-französische Verständigung erachtete. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland wurde Franz Schnabel 1936 von seiner Stelle an der Karlsruher Technischen Hochschule wegen seiner politischen Haltung nach 14 Jahren der Lehre entlassen. Eine zu dieser Zeit geplante Veröffentlichung des fünften Bands der „Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert“ wurde durch die Zensur unterbunden.
Nach dem Krieg war Schnabel zwischen 1945 und 1947 als „Landesdirektor für Unterricht und Kultus“ für den Wiederaufbau des badischen Schul- und Bildungswesens zuständig. Nach einer erneuten kurzen Zeit an der TH Karlsruhe folgte Schnabel 1947 dem Ruf der Universität München. Dort bekleidete er wissenschaftspolitische Ämter, unter anderem wurde er 1951 Präsident der Historischen Kommission der Bayrischen Akademie der Wissenschaften. Der Welt der Universität war Schnabel noch nach seiner Emeritierung 1962 eng verbunden. Franz Schnabel starb am 25. Februar 1966 in München.
Die Erinnerung an Schnabel wird durch Ehrungen wachgehalten, etwa durch die „Kurpfalz-Stiftung Franz Schnabel“ oder die „Franz-Schnabel-Gedächtnismedaille“, die seit 1991 für hervorragende Abiturleistungen im Unterrichtsfach Geschichte verliehen wird. Seit 1992 erinnert auch die Benennung des Franz-Schnabel-Hauses an seiner einstigen Wirkungsstätte an den Professor. Schnabels Perspektiven auf die Geschichte von Politik, Ideen und auch Technik bilden noch heute Grundpfeiler der Lehre und Forschung am Department für Geschichte des KIT.
Weiterführende Literatur
Gall, Lothar: Schnabel, Franz Bernhard Gerhard, in: Neue Deutsche Biographie (Bd. 23), hrsg. v. H. Hockerts, Berlin 2007, S. 273-274.
Hertfelder, Thomas: Franz Schnabel und die deutsche Geschichtswissenschaft. Geschichtsschreibung zwischen Historismus und Kulturkritik (1910-1945), 2. Bde., Göttingen 1998.
Lönne, Karl-Egon: Franz Schnabel, in: Deutsche Historiker (Bd. IX), hrsg. v. H.-U. Wehler, Göttingen 1982, S. 81-101.
Mehr zur Geschichte der Standorte
Zur Geschichte der Standorte
von Janina Ochs
Neuer Zirkel (Geb. 20.53 u. Geb. 20.54)
Der sogenannte Winkelwohnblock an der Kreuzung Engesserstraße und Neuer Zirkel auf dem Campus des KIT stammt vom badischen Architekten Fritz Hirsch. Der jüdische Bauingenieur war ab 1913 in Karlsruhe tätig und unter anderem verantwortlich für die Restaurierung von Schloss und Schlossgarten in Schwetzingen, Schloss und Hofkirche in Raststatt, Stadtkirche und Münzprägerei [„Alte Münze“] in Karlsruhe sowie des Münsters in Konstanz. Ab 1920 war er an der TH Karlsruhe als Honorarprofessor tätig und lehrte Architekturgeschichte und Christliche Kunst. 1933 entzog die Hochschule Hirsch den Lehrauftrag – vorgeblich aus „Ersparnisgründen“ – und er wurde von den Nationalsozialisten aus allen Ämtern gedrängt. Er starb im Juli 1938.
Der Winkelwohnblock entstand in den frühen 1920er Jahren. Das Grundstück befindet sich auf dem ehemaligen Stallgelände des Schlosses zu Karlsruhe, auf dem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht nur die Hofställe, sondern auch das Hofbauamt und die Wohnungen der Hofbeamten lagen. Durch den Wohnungsmangel nach dem Ersten Weltkrieg wurden dort moderne Wohnhäuser errichtet – wiederum als Beamtensiedlung.
Ende der 1960er Jahre sollte der heute denkmalgeschützte Komplex eigentlich abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Das zeitgleiche Aufkommen der Informatik als neu etabliertes Fach an der Technischen Hochschule Karlsruhe verhinderte dieses Vorhaben. Die Informatik wurde in den Winkelwohnblöcken einquartiert. Gut zwanzig Jahre später kam man zu dem Schluss, dass die Bausubstanz zu wertvoll war, um sie abzureißen. Gleichzeitig wurde beschlossen, dass frei werdende Wohnungen der Technischen Hochschule zur Verfügung gestellt werden sollten. So befanden sich dort die Räumlichkeiten der Informatik, der Wirtschaftswissenschaften und das Prüfungssekretariat der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften. 1996 bezog das Department für Geschichte mit der Abteilung Technikgeschichte Räumlichkeiten im Neuen Zirkel 3. Seit dem Sommersemester 2016 befinden im Neuen Zirkel 1 weitere Büros des Departments.
Das Franz-Schnabel-Haus (Geb. 30.91)
Im Franz-Schnabel-Haus befinden sich die Seminarräume des Department für Geschichte. Das Gebäude steht auf dem Gelände der ehemaligen Fasanerie am Rande des Karlsruher Schlossparks. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich das 1765 fertiggestellte Fasanenschlösschen, seit 1926 Sitz der Staatlichen Forstschule. Das heutige Schnabel-Haus wurde 1857 als Erweiterung der Fasanerie und als Wohnhaus für den Fasanenjäger gebaut. Angeschlossen waren ein Bruthaus für Fasane und ein Kuhstall. In dieser Funktion nur kurzzeitig genutzt, war es im frühen 20. Jahrhundert Wohnhaus für Beamte.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten stellte das badische Finanzministerium das Gebäude mietfrei dem NS-Studentenbund zur Verfügung. Es wurde daraufhin umgebaut und 1934 als „Kameradschaftshaus“ eröffnet. Eine weitere Baumaßnahme kurz darauf passte auch das äußere Erscheinungsbild des Hauses Vorstellungen nationalsozialistischer Architektur an. Das Gebäude war nach dem Reichsführer des NS-Studentenbundes benannt, dem Karlsruher Oskar Stäbel. Die zu einem geringen Mietpreis untergebrachten Studenten sollten nach nationalsozialistischen Prinzipien ausgebildet werden. In dem betont schlicht eingerichteten Haus, das Platz für etwa 50 bis 60 Studierende bot, wurden den Studenten drei Mahlzeiten, ein (Hoch-)Bett und ein Schrank geboten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude grundsaniert und umgebaut. Im Jahr 1955 bezog das Engler-Bunte-Institut für Mineralöl- und Kohleforschung der Technischen Hochschule Karlsruhe die Räumlichkeiten. Die heutigen Seminarräume im Erdgeschoss dienten als Maschinen- und Werkräume. Gearbeitet wurde mit schweren Maschinen und unterschiedlichsten Chemikalien. Ende der 1980er Jahre bezog die Fakultät für Geistes-und Sozialwissenschaften das Gebäude. 1992 erhielt es den Namen „Franz-Schnabel-Haus“ – benannt nach dem Verfasser der „Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert“ und ehemaligem Professor für Geschichte der TH Karlsruhe. Schnabel war einer der ersten Politikhistoriker, der in seinen Werken auch technikhistorische Entwicklungen berücksichtigte. Diese beiden Felder bilden auch heute die Schwerpunkte von Lehre und Forschung des Departments für Geschichte.
Douglasstraße 24 (Geb. 09.20)
Weitere Büros des Departments für Geschichte befinden sich zentral in der Innenstadt am Europaplatz, in direkter Nähe zur ehemaligen Hauptpost, dem heutigen Einkaufszentrum „Postgalerie“. Von der originalen Bausubstanz des Gebäudes sind allerdings nur noch die denkmalgeschützte Jugendstilfassade, das Treppenhaus und Elemente der Räume zur Straßenseite erhalten.
Die Fassade stammt von 1906, als der Karlsruher Bauunternehmer August Hörner das Grundstück samt baufälliger Schmiede und Ladenlokal erwarb. Die alten Gebäude wurden abgerissen und ein modernes Wohn- und Geschäftshaus errichtet. Die Jugendstilfassade ist geprägt durch die Figur des Merkur als Gott des Handels. Balancierend auf einer Weltkugel, scheint er einem fliehenden Äffchen zu folgen – die ungewöhnliche Ikonografie ist von hohem Denkmalwert. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.
Das Gebäude diente bis Mitte der 1980er Jahre als Wohnhaus. Einer der damaligen Bewohner einer studentischen Wohngemeinschaft wurde später Lehrstuhlinhaber an einer Berliner Universität. Im Zuge einer Kernsanierung und dem Bau einer Tiefgarage wurden die Etagen durch Einbeziehung des neu errichteten Nachbarhauses maßgeblich erweitert. Seitdem beherbergt das Gebäude Arztpraxen, Anwaltskanzleien und Büros.