Rohstoff, Werkstoff, Wirkstoff: Die Produktion tierischer Nebenprodukte und ihr Einsatz in Industrie, Technik und Medizin (ca. 1890-1970)
- Ansprechperson:
Gisela Hürlimann
Der Wunsch nach einer Commodity-Forschung mit Blick aufs Animalische, das Desiderat einer nutztierlichen «Verwertungsgeschichte» über die Arbeits-, Fleisch- oder Milchproduktion hinaus, öffentliche Debatten zu den umweltrelevanten Produktions- und Konsumtionsbedingungen von tierischen Rohstoffen und Produkten und geschichtswissenschaftliche Debatten rund um die Animal History inspirieren dieses Forschungsprojekt.
Den Ausgangspunkt bildet die Überlegung, dass das im Industriezeitalter in Schlachthöfen produzierte Nachleben von Rindern, Schweinen oder Schafen als Ressource zur Produktion vielfältiger Stoffe diente: Tierfutter, Dünger, Seife, Leim, technische und gewerbliche Fette, Baustoffe, Hormone, Vakzine, Kosmetika oder auch zur Energieerzeugung. Solche Stoffe und Funktionen sind in vielfältiger Weise mit Unternehmen, Genossenschaften, Branchen, Verbänden, Vorschriften und Technologien verbunden, die Fütterungs-, Haltungs-, Transport- und Tötungs- und Zerlegungsinfrastrukturen, Kühlmaschinen, Verarbeitungs- und Transporttechnologien, Absatzmärkte, aber auch natur- und technikwissenschaftliches Praxiswissen und hygienische Diskurse hervorbringen.
Das Projekt möchte die bisher in der Technik-, Umwelt- und Tiergeschichte vernachlässigte ‚Peripherie‘ des Rinder- oder Schweinekomplexes ausleuchten: die Verarbeitung von Blut, Talg, Haut, Knochen, Horn, Klauen und Drüsen und die daran beteiligten Institutionen, Unternehmen, ArbeiterInnen, wissenschaftlichen Netzwerke und Labors. Dabei überwinden die Ressourcen- und Verarbeitungsketten auch regionale, nationale oder kontinentale Grenzen. In seiner Anpassungsfähigkeit an neue Technologien, wissenschaftliche Erkenntnisse und gewerbliche Einsatzmöglichkeiten, an Konsumpräferenzen und -tabus, an seuchengesetzliche Regulierungen, aber auch an tierethische Vorstellungen erweist sich dieser tierliche Ressourcenkomplex als Teil einer fluiden Assemblage.
Kontakt: gisela.huerlimann@kit.edu