*TAGUNG*
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chair:
KIT im Rathaus
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place:
Rathaus Karlsruhe, Bürgersaal
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sws:
12. Juli 2017
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:
KIT, ZAK, Stadt Karlsruhe
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Referent:
U. a. Prof. Dr. Rolf-Ulrich Kunze
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Zeit:
18.30
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Rolf-Ulrich Kunze
„Falsch verschaltet!“ Der Karlsruher Informatiker Karl Steinbuch
und die Utopie einer totalen Informationsgesellschaft um 1970.
KIT im Rathaus, 12. Juli 2017, 18.30
Abstract
Henry Ford hat 1921 gegenüber der New York Times einmal gesagt: „History is bunk“.[1] Geschichte ist Blödsinn. Man könne und man brauche aus ihr nicht zu lernen. Das sei Zeitverschwendung für Faulenzer. Der Informatikpionier Karl Steinbuch hätte dem Autobaupionier darin absolut zugestimmt. Beide lebten in der reinen Gegenwart und interessierten sich ausschließlich für die Zukunft, nicht irgendeine Vergangenheit. Diese radikale Form der Geschichtslosigkeit trug einerseits zu Fords und Steinbuchs Erfolg bei, definiert andererseits aber ihre Grenze als Gegenwartskritiker und Visionäre in ihrer Zeit. Beide waren in gesellschaftlich-politischer Hinsicht als Utopisten zugleich visionär und reaktionär. Genau um diese Ambivalenz soll es in den nächsten zehn Minuten gehen: Für Ford und Steinbuch war Technik keine soziale und politische Konstruktion, sondern ein rationaler Sachzwang. Widerspruch nicht vorgesehen.
Vielleicht sollte ich vorab zumindest kurz andeuten, warum ich mich auf diese Weise mit Karl Steinbuch beschäftige: keineswegs deshalb, um seine Verdienste in der Informatik zu schmälern, sondern um auf ein wichtiges, vielleicht sogar einmal im Superlativ ausgedrückt: das für die Zukunft der Technik wichtigste Arbeitsfeld am KIT hinzuweisen, die Beschäftigung mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihres Gelingens oder Scheiterns. Technik scheitert nicht an ihrem Wirkungsgrad, sondern ihrer fehlenden Akzeptanz, und die hat keineswegs zuerst mit einem optimalen Wirkungsgrad zu tun, sondern mit einem dem Techniker höchst verdächtigen Wesen: dem Techniknutzer. Ich werde Ihnen zunächst Steinbuch als Visionär und Gesellschaftskritiker vorstellen, dann auf einige seiner Technikutopien eingehen, deren argumentatives Muster das des Schalterumlegens ist. Abschließend mache ich einige Bemerkungen zur Wirklichkeit unserer Informationsgesellschaft, die sich im Gegensatz zu Steinbuchs Utopie durch eine Nutzeranwendungswelle von unten durchgesetzt hat, nicht als von Informatikern verordnete, von Politikern umgesetzte autoritäre Rationalität. Danach ist Raum zur Diskussion.
Prof. Dr. Rolf-Ulrich Kunze, Institut für Geschichte, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
[1] Henry Ford, in: The York Times, 29. Oktober 1921. Das folgende nach R.-U. K., Global History und Weltgeschichte. Quellen, Zusammenhänge, Perspektiven, Stuttgart 2017, S. 124-132.